- Friedensnobelpreis 1965: UNICEF
- Friedensnobelpreis 1965: UNICEFDas Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen erhielt den Nobelpreis für seinen unermüdlichen Einsatz für das Wohl der Kinder und die damit verbundene Entwicklungshilfe in allen Teilen der Welt.UNICEF, Abkürzung für United Nations International Children's Emergency Fund (Internationaler Kinderhilfsfonds), gegründet am 11.12.1946; Sitz der Hauptverwaltung ist New York; ursprünglich eingerichtet, um den vom Zweiten Weltkrieg betroffenen Kindern zu helfen, heute Hilfsfonds zur Unterstützung Not leidender Kinder, zurzeit Tätigkeiten in 160 Ländern mit Schwerpunkt in der Dritten Welt.Würdigung der preisgekrönten LeistungAls das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef 1965 den Friedensnobelpreis erhielt, zitierte Aase Lionaes, Mitglied des norwegischen Nobelkomitees, in seiner Verleihungsrede die erste Zeile eines Gedichts seines Landsmanns Bjornstjerne Bjornson: »Gute Taten retten die Welt.« Genau deshalb sei man an diesem 11. Dezember zusammengekommen: UNICEF habe, indem es Bjornsons Worte mit Leben erfüllt habe, auch Alfred Nobels letzten Willen erfüllt.Die ersten JahreDer Gründung der Unicef am 11. Dezember 1946 ging innerhalb der Uno ein langer Diskussionsprozess voraus. US-Präsident Herbert Hoover machte kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf die rund 20 Millionen Kinder in Europa aufmerksam, die an Unterernährung und hungerbedingten Krankheiten litten. Zwar hatte bereits seit 1943 die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) versucht, das schlimmste Leid unter den Kindern zu lindern. Allein zwischen 1945 und 1946 wurden 20 Millionen Tonnen Hilfsgüter ausgeliefert und mehrere hundert Millionen Menschen in 25 Ländern Europas und Asiens unterstützt. Doch die UNRRA war von vornherein nur auf Zeit angelegt. So wuchs nach der Gründung der UNO am 26. Juni 1945 die Bereitschaft und das Einsehen, eine neue Einrichtung an die Stelle der UNRRA treten zu lassen: Das Kinderhilfswerk UNICEF wurde gegründet und zunächst mit einem Mandat für drei Jahre ausgestattet.Die Organisation sollte allen Kindern unabhängig von ihrer Nationalität helfen. Dieser Grundsatz ging auf den ersten Vorsitzenden der neuen Organisation, Maurice Pate, zurück. Der US-Bürger war seit den 1920er-Jahren ein enger Vertrauter Hoovers. Dieser hatte Pate nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mit einem US-Nahrungsversorgungsprogramm für hilfsbedürftige Kinder in Polen betraut. Während des Zweiten Weltkriegs übernahm Pate den Vorsitz des »Relief of Prisoner of War« des Roten Kreuzes, in dessen Auftrag er in den folgenden Jahren Hilfsgüter für alliierte Gefangene im Wert von 170 Millionen Dollar nach Europa und Fernost verschiffen ließ.UNICEF versorgte bis 1950 sieben Millionen Kinder in 14 Ländern Europas diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs mit Lebensmitteln und Medikamenten, impfte elf Millionen gegen Tuberkulose und lieferte Rohmaterial für Decken, Kleider und Schuhe, die in den Ländern selbst verarbeitet wurden. Allein in Deutschland betrug die von UNICEF geleistete Hilfe 87,6 Millionen Dollar. Weitere Katastropheneinsätze folgten 1948 beim Exodus der Palästinenser und 1949 in Israel. 1950 begann UNICEF, in 38 Ländern Asiens, Lateinamerikas und Nordafrikas mit der Sicherung von Gesundheit und Ernährung der Kinder.Nachdem UNICEF 1953 endgültig als feste Einrichtung der Vereinten Nationen installiert worden war, rückte in der Folgezeit die Arbeit in der Dritten Welt immer stärker in den Vordergrund. Die zielgruppengerechte Hilfe vor Ort wurde zum neuen Motto. So legte man in den einzelnen Ländern beispielsweise Geflügelfarmen, Fischteiche und Gemüsegärten an, um die Selbstversorgung der Bevölkerung zu sichern. Seuchen wurden systematisch bekämpft, millionenschwere Impfprogramme gegen Malaria, Tuberkulose, Lepra, Himbeerpocken und die Augenkrankheit Trachom aufgelegt. Bis 1960 wurden so allein in Indonesien zehn Millionen Fälle von Himbeerpocken therapiert und ein Drittel aller weltweiten Lepra-Fälle in Behandlung gegeben. Allerdings musste UNICEF auch die Grenzen seiner Programme erkennen: Die Impfprogramme verschlangen den Großteil der UNICEF-Ressourcen. Dabei musste die Organisation mit unerwarteten Schwierigkeiten kämpfen, wie beispielsweise mit der Resistenz von Malaria übertragender Stechmückenarten gegen das eingesetzte Insektenvernichtungsmittel DDT.Pioniere der EntwicklungshilfeAnfang der 1960er-Jahre wurde ein Wandel vollzogen. 1964 saßen auf der wegweisenden Konferenz von Bellagio am Comer See erstmals Ökonomen, Planer, Kinderärzte und Ernährungswissenschaftler gemeinsam an einem Tisch: Fortan sollten Kinder nicht nur Zielgruppe humanitärer Anstrengungen sein, sondern als ein »zukünftiger Garant für wirtschaftlichen und sozialen Wandel« angesehen und deshalb in nationale und internationale Entwicklungspläne integriert werden. Schul- und Ausbildungsmaßnahmen ergänzten daher die künftigen UNICEF-Programme.Da UNICEF sich zu einem großen Teil über Spenden finanziert, war Werbung und Popularität von Anbeginn sehr wichtig. Schon in den 1950er-Jahren begann der Verkauf der UNICEF-Postkarten, auf denen Kinderzeichnungen zu sehen waren. Auch die »Botschafter des Guten Willens« prägten das Gesicht der Organisation nach außen: Prominente stellten sich ehrenamtlich in den Dienst der guten Sache, vor allem Schauspieler und Sportler nutzten ihren Ruhm und öffneten dem Kinderhilfswerk Herzen und Geldbörsen. Aber auch auf lokaler Ebene gründeten sich zahlreiche Komitees, die Grußkarten verkauften, Spendenaktionen organisierten und die Botschaft von UNICEF verbreiteten.Für diese unverzichtbar gewordene Tätigkeit erhielt das Kinderhilfswerk 1965 den Friedensnobelpreis. Welchen Rang diese Auszeichnung für UNICEF hatte, verdeutlichte Henry Labouisse, der Nachfolger des verstorbenen Pate, anlässlich der Osloer Preisverleihung: »Für mich ist die feierliche Anerkennung dessen, dass das Wohl der Kinder von heute untrennbar mit dem Frieden von morgen verbunden ist, das Wichtigste an diesem Nobelpreis.« Ausdrücklich wurde in der Preisrede die Pionierleistung Pates beim Aufbau der Organisation gewürdigt. Dieser hatte vier Jahre zuvor eine Nominierung für den Friedensnobelpreis mit der Begründung abgelehnt, dass nur die Organisation selbst in den Genuss dieser Ehre kommen sollte.Seit 1960 hat sich das UNICEF-Budget zwar verzehnfacht, an der eingeschlagenen Strategie einer Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse wurde dennoch festgehalten. Das Prinzip der »Hilfe zur Selbsthilfe« fand Eingang in die internationale Entwicklungspolitik. Dabei muss sich die Organisation ständig neuen Herausforderungen — wie dem Kampf gegen Kinderprostitution und Kinderarbeit in der Dritten Welt — stellen. Am 20. November 1989 wurde von der UN-Vollversammlung die Kinderkonvention beschlossen: Erstmals in der Geschichte des Völkerrechts wurden darin die Rechte des Kindes umfassend in einem internationalen Vertragswerk mit weltweitem Geltungsanspruch verankert.M. Geckeler
Universal-Lexikon. 2012.